Zum 25. Geburtstag der Masterschool Drehbuch habe ich von meinem Werdegang und meiner Arbeit erzählt. Es hat Spaß gemacht, mal auf die Rollen zu wechseln und selbst interviewt zu werden. Und ich habe mich sehr gerne an meine Zeit bei der Masterschool 2010 erinnert.
Dr. Eva-Maria Fahmüller: Du hast zunächst Kulturwissenschaften studiert. Wie bist Du dann in die Stoffentwicklung gekommen?
Gisela Wehrl: Eigentlich wollte ich schon immer Filme machen und erzählen. Kulturwissenschaften bieten dafür eine tolle Grundlage. Kultur ist wohl die größte gemeinschaftliche Erzählung überhaupt. Welche Narrationsstrategien wirken in Gesellschaften oder Nationen hinein? Welche Bedeutungen messen wir bestimmten Phänomenen bei? Und schon während des Studiums habe ich einen Kinodokumentarfilm produziert und verliehen. Und danach habe ich mich immer mehr mit dem Erzählen beschäftigt.
Welche Trends erkennst Du im zeitgemäßen Erzählen?
Ich finde es heikel Trends zu benennen, weil Geschichten immer dann am kraftvollsten und bewegendsten sind, wenn Autor:innen und Regisseur:innen ihren eigenen Visionen folgen. Da freut mich umso mehr, dass wir mehr und mehr Diversität sehen dürfen, bei den Stoffen und Figuren und besonders auch bei den Autor:innen. Und das würde ich mir noch viel mehr wünschen, denn wir brauchen diese Stimmen ganz dringend, wie aktuell in dem Roman „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel, eine Meisterin im Erzählen.
Was würdest Du an der Filmbranche gerne verändern?
Mehr Mut für ungewöhnliches Erzählen und auch schnellere Entscheidungsprozesse, bis man endlich richtig loslegen kann! Und dann mehr Zeit und Geld für die Stoffentwicklung. Gerade weil Film eine so teure Kunst ist, wird da meiner Meinung nach am falschen Ende gespart.
Was macht Dir an Deiner Arbeit am meisten Freude?
Neue Welten erschaffen und in sie einzutauchen. Und der Nerd-Anteil in mir guckt akribisch, dass diese in sich kohärent bleiben. Als Dramaturgin gefällt mir zudem, dass ich Projekte von den ersten Ideen über Jahre begleite.
Du arbeitest als Dramaturgin und Autorin. Was ist für Dich der zentrale Unterschied?
Als Dramaturgin fühle ich mich wie eine Hebamme: Ich helfe mit, dass die Autor:innen aber auch die Produzent:innen ihre Visionen entwickeln können. Doch die Durchführung liegt bei den Autor:innen. Und darin sind dann die Mühen der Ebene versteckt. Beim Schreiben hingegen, ist es der Prozess des Schaffens, der so toll ist.
Du kanntest die Filmbranche bereits vor der Ausbildung an der Master School Drehbuch. Was hast Du dort dazu gelernt?
Als ich als Kind zum ersten Mal erfahren habe, dass Menschen zusammen Bücher oder Filme schreiben, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Auch später habe ich das nur theoretisch verstanden. Bei der Master School habe ich erstmals ein richtiges Gefühl dafür bekommen.
Was würdest Du unseren den Teilnehmern der laufenden Ausbildung zum/r Autor/in für Film & TV raten, um in der Branche Fuß zu fassen?
Kennt den Markt und wie er funktioniert, also auch, wie viel Geld den Betreibenden pro Kinokarte bleibt und wie viele Filme im Jahr starten. Und kennt Euch selbst und Eure Stoffe. Was ist für Euch das Herz Eurer Geschichte? Wenn alles gut läuft, dann findet Ihr Partner:innen, die diese gemeinsam mit Euch umsetzen wollen. Und von denen kommen dann viele tolle Vorschläge – und auch mal weniger tolle. Wenn Ihr wisst, was das Herz der Geschichte ausmacht, dann könnt Ihr flexibel sein UND Euch treu bleiben.
Das Interview findet Ihr auch hier. Mehr über mich gibt es in meiner Vita zu lesen.